Eine Schnittstelle ins Gehirn
17. April 2025

Foto: Pixabay/Gerd Altmann
Nanomaterialien könnten eine bedeutende Rolle bei Schnittstellen zwischen dem menschlichen Gehirn und Computern spielen. Das zeigt ein aktueller, multidisziplinärer Überblicksartikel, den zahlreiche Forscher:innen, darunter auch mehrere an PIER-PLUS-Projekten Beteiligte, kürzlich veröffentlicht haben.
Maschinen, die Teile des menschlichen Gehirns ersetzen oder dessen Fähigkeiten erweitern: In der Science-Fiction ist dieses Szenario schon lange angekommen, und auch US-Tech-Milliardäre haben das Feld für sich entdeckt. „Diese Szenarien kenne ich natürlich auch, aber das ist alles sehr weit hergeholt – es ist überhaupt nicht die Rede davon, dass wir ein menschliches Gehirn in naher Zukunft einfach an einen Computer anschließen können“, betont Prof. Dr. Wolfgang Parak vom Fachbereich Physik der Universität Hamburg. Gemeinsam mit Kolleg:innen zahlreicher Universitäten, darunter die Universität Hamburg (Fakultät für Mathematik, Informatik und Naturwissenschaften und Medizinische Fakultät) und die Technische Universität Hamburg, hat er kürzlich im Fachjournal ACS Nano einen Überblicksbeitrag zum Stand der Forschung im Bereich der Brain-Machine-Interfaces (BMI) veröffentlicht. Mehrere Autoren sind auch im PIER-PLUS-Profil Neue Materialien aktiv.
Die Rolle von Nanostrukturen
Konkret haben sich die Forscher:innen die Rolle angesehen, die Nanotechnologien bei BMI spielen könnten: „Nanomaterialien eröffnen durch ihre Größe, die etwa jener von Biomolekülen entspricht, die Möglichkeit direkter Schnittstellen zu einzelnen Gehirnzellen“, sagt Wolfgang Parak. Mittels Nanopartikeln könnten elektrische Signale direkt übertragen werden. Der Weg dorthin ist aber noch weit, wie die Arbeit von Forschungsgruppen aus aller Welt zeigt, etwa im Bereich der Neuroprothesen, die verlorene oder beeinträchtigte neuronale Funktionen wiederherstellen: Einerseits ist die hohe Integrationsdichte der Elektroden für präzise und effektive Stimulationen ein offenes Forschungsfeld – der Fokus liegt hier insbesondere auf fortschrittlichen Nanofabrikationstechniken. Die verwendeten Materialien müssen zudem biokompatibel sein, sie dürfen keine Abwehrreaktion im Körper hervorrufen, außerdem müssen sie über lange Zeiträume zuverlässig funktionieren. „Neuroprothesen müssen Signale sowohl senden als auch empfangen können, das stellt auch die Elektronik und Signalverarbeitung vor Herausforderungen, zumal wir hier eben von Nanomaßstäben sprechen“, erläutert Wolfgang Parak.
Geforscht wird dafür unter anderem mit Organoiden, also biologischen Gehirnmodellen aus dem Labor. Die Schnittstelle zur Medizin ist aber nicht die einzige, wie der multidisziplinäre Artikel aufzeigt: „Neben Physik, Materialwissenschaft, Medizin und mehreren technischen Fächern gibt es auch große Schnittmengen zu den Sozial- und Geisteswissenschaften und zu den Rechtswissenschaften“, betont Wolfgang Parak. Gerade rechtliche und ethische Fragen seien nicht vollständig auf die spezifische Anwendung hin geklärt, hier brauche es klare Richtlinien, denn an BMI werde in jedem Fall geforscht, wie Parak betont: „Idealerweise findet diese Forschung unter ganz klaren rechtlichen und ethischen Rahmenbedingungen statt.“
Multidisziplinarität
Vielfältige Zugänge in erfolgreicher Forschung zu vereinen ist auch ein Augenmerk in PIER PLUS. Das aktuelle Paper zu Brain-Machine-Interfaces ist ein Beispiel dafür: Zahlreiche Kolleg:innen, die in PIER-PLUS-Profilen in Hamburg tätig sind, haben daran mitgewirkt. „In der Kooperation haben wir dann auch unsere durchaus unterschiedlichen wissenschaftlichen Sprachen bemerkt – Ingenieure betrachten das Gehirn ähnlich wie einen Computerprozessor und verwenden entsprechendes Vokabular, Mediziner haben da einen anderen Zugang“, sagt Wolfgang Parak. So schafft Multidisziplinarität auch gegenseitiges Verständnis. „Die enorme Komplexität des menschlichen Gehirns ist nach wie vor eine große Herausforderung für BMI-Technologien und die Nanotechnologie allein wird auch nicht alle damit verbundenen Probleme lösen. Sie bietet aber bereits jetzt Materialien und Plattformen, die dabei helfen können, entsprechende Schnittstellen zu entwickeln – es lohnt sich, diesen Forschungsstrang weiter zu verfolgen.“